Post-Polio-Syndrom (PPS)

Die akute Poliomyelitis ist in den Industrieländern nahezu ausgerottet und stellt nur noch in schlechter entwickelten Ländern ein Problem dar. Aber auch hier ist die Zahl der Neuerkrankungen durch ausgedehnte Impfkampagnen rückläufig, und es ist erklärtes Ziel der Weltgesundheitsorganisation, die Polio vollständig auszurotten. Die Polio wird damit nicht mehr als aktuelles medizinisches Problem wahrgenommen.

Dabei wird oft übersehen, dass noch viele Menschen leben, die die großen Epidemien bis 1962 überlebt und Residuen davongetragen haben. Lange Zeit wurden diese Residuen als stabiler Zustand aufgefasst, bei dem spätere Verschlechterungen nur durch sekundäre Schäden wie Gelenkdegeneration u. a. bedingt sein können. Andererseits berichtete Charcot erstmals bereits 1875 über zunehmende Paresens eines Mannes, der in seiner Kindheit eine Poliomyelitis erlitten hatte, und auch in der Folgezeit wurden wiederholt solche Fälle publiziert.

Nach Ende der letzten großen Polioepidemien in den 60er Jahren durch die Einführung der Impfungen nach Sabin und Salk schwanden die Polio und ihre Opfer zunächst aus dem Blickfeld. Etwa 30 Jahre nach den letzten großen Epidemien in Deutschland entwickeln sich nun bei einem Teil der Betroffenen neue Symptome, die man unter dem Begriff Post-Polio-Syndrom zusammenfassen kann. Die Angaben zur Häufigkeit schwanken. Zwischen 20 und 80 % der ehemaligen Polioopfer entwickeln nach einem stabilen Intervall von ca. 30 Jahren neue Symptome, die als Spätfolgen der akuten Erkrankung aufzufassen sind. Schätzungen gehen von 10.000 bis 80.000 Betroffenen in Deutschland aus.

Diagnostische Kriterien für PPS

Im Wesentlichen müssen die folgenden fünf Kriterien erfüllt sein, um die Diagnose eines Post-Polio-Syndromes (PPS) zu stellen:

  • durchgemachte Poliomyelitis,
  • klinisch stabiles Intervall von mindestens 10 Jahren,
  • neue neuromuskuläre Symptome,
  • nachweisbare Residuen (Restzustände) der akuten Polio an mindestens einer Extzremität (Atrophie, Reflexausfall, Sensibilität intakt),
  • Ausschluss anderer Ursachen für die neuen Symptome.

Jahrzehnte nach der akuten Erkrankung liegen nur bei den wenigsten Patienten noch Originalunterlagen vor. Daher sollte versucht werden, aus den Angaben der Patienten und soweit verfügbar auch von Angehörigen, die Wahrscheinlichkeit einer Polio als Ursache der Residuen zu sichern. Hier helfen Angaben über Polioepidemien in der Umgebung, eine fieberhafte Erkrankung mit Entwicklung von Paresen (unvollständige) nach Abklingen des Fiebers und die typischerweise ausgestanzte Verteilung der residualen Parese weiter. Serologische Untersuchungen tragen wegen der weitgehenden Durchimpfung der Bevölkerung und Übertragung der Impfviren auch auf die Umgebung bei dieser Abschätzung wenig bei.

Symptome des Post-Polio-Syndrom

Die Symptomatik Des PPS ist vielgestaltig. Nach den im Vordergrund stehenden Beschwerden kann man zwei Untergruppen unterscheiden:

  • den muskuloskeletalen Typ mit Schmerzen in Muskeln und Gelenken und
  • die postpoliomyelitische progressive Muskelatrophie (PPMA)

Auch wenn diese Einteilung zur Bezeichnung von Extremformen ihre Berechtigung hat, bietet die überwiegende Zahl der Patienten eine Kombination beider Komplexe. In abnehmender Häufigkeit klagen die Patienten über:

  • Müdigkeit bzw. abnorme Ermüdbarkeit (85 – 90 %),
  • Muskelschmerzen (70 – 85%)
  • Gelenkschmerzen (70 – 80 %)
  • Schwäche in zuvor betroffenen (70 – 80 %) und klinisch nicht betroffenen (50 – 75 %) Muskelgruppen,
  • Külteintoleranz (30 – 55 %)
  • neue Atrophien (30 – 40 %)

Dies schlägt sich, wiederum in abnehmende Häufigkeit, in Einschränkungen bei den folgenden Funktionen des täglichen Lebens.

  • Gehen (65 – 85 %)
  • Treppen steigen (60 – 80 %)
  • Ankleiden und Körperpflege (15 – 60 %

Die Symptomatik ist häufig unspezifisch und schwer objektivierbar. Dies führte vor dem breiteren Bekanntwerden des Syndroms meist zunächst zur Diagnose funktioneller Beschwerden und hatte nicht selten diagnostische Odyseen zur Folge.

Auch wenn während der akute Polio keine bulbäre (motorische Hirnnerven) Beteiligung bestand, lassen sich bei einem erheblichen Anteil der Patienten Schluckstörungen nachweisen. Bei eingehender Diagnostik zeigten sich bei 31 von 32 untersuchten Patienten, von denen lediglich 12 bulbäre Symptome während der Akutphase hatten, Störungen des Schluckaktes.

Diagnostik und Differentialdiagnosen

Spezifische Testverfahren die das Vorliegen eines PPS beweisen oder ausschließen, gibt es nicht. Auf die Schwierigkeiten, die eine durchgemachte akute Polio nach langer Zeit zu sichern, wurde bereits eingegangen. Die diagnostische Einordnung wird sehr schwierig, wenn für PPS typische Beschwerden bei Patienten auftreten, die eine nicht-paralytische akute Polio aufweisen. Es gibt einzelne Berichte, dass auch bei solchen Patienten sehr vereinzelt PPS-artige Beschwerden auftreten können. Aus meiner Sicht sollte jedoch in solchen (sehr seltenen) Fällen die Erkrankung nicht als PPS bezeichnet werden, sondern der mögliche Zusammenhang anders ausgedrückt werden.

Wichtig ist es, das Ausmaß verbliebener Residuen möglichst genau zu erfassen, u. U. auch mit Hilfe von Fotos Fremdanamnesen usw., um eine mögliche Progredienz besser abschätzen zu können. Bei der notwendigen Diagnostik hat es sich bewährt, nach den vorliegenden Leitsymptomen vorzugehen.

Schwäche
Wichtig ist es zunächst, neu auftretende oder zunehmende Schwächen in einzelnen Muskeln von schmerzbedingter Schonung und generalisierter Ermüdung abzugrenzen.

Engpass-Syndrome sind bei PPS-Patienten vermutlich häufiger als in der Normalbevölkerung und teils in typischer Art durch die Residuen bedingt.

Ebenso kann es zu zervikalen oder lumbalen Wurzelkompressionen kommen. Bei langsam wirksamer Kompression z. B. im Rahmen degenerativer Prozesse können radikuläre Schmerzen fehlen.

Auch unabhängige neuromuskuläre Erkrankungen wie Polyneuropathien, Myasthenie, Polymyositis oder Muskeldystrophien sollen durch geeignete Untersuchungen ausgeschlossen werden.

Lange wurde über eine mögliche Assoziation des PPS mit der klassischen Amyotrophen Lateralsklerose diskutiert. Nach derzeitigem Wissensstand lassen sich hierfür keine Anhaltspunkte finden.

Bei vielen Patienten, die über zunehmende Schwächen im Bereich der unteren Extremitäten und Gangverschlechterungen klagen, spielen Gewichtszunahmen im Zeitraum vor Einsetzen der geklagten Paresen eine Rolle.

Müdigkeit
Abnorme, generalisierte Müdigkeit stellt häufig einen wichtigen Aspekt im Beschwerdebild dar. Ähnlich wie bei anderen neurologischen Erkrankungen, z. B. der Multiplen Sklerose, ist der pathophysiologische Hintergrund im Rahmen des PPS bisher unverstanden. Diskutiert werden sowohl zentrale wie auch muskuläre Ursachen. Basierend auf Sektionsstudien akuter Poliofälle und MR-Untersuchungen (MR = Magnet-Resonanz) werden durch Polioviren induzierte Läsionen der Formatio reticularis (Gehirnbereich, der u. a. für die Steuerung des Schlaf-Wach-Rhythmus verantwortlich ist) als Auslöser diskutiert. Allerdings konnte eine kürzlich vorgestellte Studie keine Befunde im Sinne der zentralen Ermüdung nachweisen. In MR-spektroskopischen Untersuchungen der Muskulatur fanden sich aber Hinweise auf eine Störung der intramuskulären Signalübertragung, auch wenn die Häufigkeit depressiver Verstimmungen bei PPS-Patienten sich nicht von der Normalbevölkerung unterscheidet, sollte doch durch Exploration eine Depression ausgeschlossen werden.

Letztlich können sich verschiedene Allgemeinerkrankung wie Hypothyreose, Anämie, Herzinsuffizienz, Diabetes durch abnorme Müdigkeit erklären. Besonderes Augenmerk sollte auf die respiratorische Situation gelegt werden, vor allem bei Patienten mit (durch Paresen der Atemmuskulatur oder ausgeprägter Skoliose) eingeschränkter Vitalkapazität. Bei Angabe vermehrter Tagesschläfrigkeit, morgendlicher Kopfschmerzen und Schnarchen sollte auch an ein Schlaf-Apnoe-Syndrom gedacht und entsprechende Diagnostik eingeleitet werden. Die Häufigkeit von abnormen Schlaf-Mustern ist bei Patienten mit Polio-Residuen signifikant gesteigert.

Schmerz
Die Anordnung von Schmerzzuständen ist vor allem von den Angaben des Patienten abhängig. Ausgeprägte Paresen und dadurch ausgelöste Fehlhaltungen prädisponieren zum einen zu degenerativen Skelett und Gelenkveränderungen sowohl der betroffenen als auch , infolge kompensatorischer Überbeanspruchung, der gesunden Extremitäten.

Daneben sind tief sitzende Muskelschmerzen, die teils belastungsabhängig sind, häufiger Bestandteil des Beschwerdekomplexes. Der Schmerzcharakter ist meist dumpf und drückend, selten eher brennend und oberflächlich lokalisiert.

Pathophysiologische Überlegungen

Nach einer zunächst mit großem Aufsehen aufgenommenden Vermutung, dass eine Viruspersistens verantwortlich sein könnte, wurde in Folgeuntersuchungen dieser Verdacht nicht bestätigt.

Das von vielen Untersuchern gefundene gehäufte Auftreten bestimmter Proteine im Liquor (sog. Oligoklonale Bande) von PPS-Patienten konnte nicht auf bestimmte Antigene festgelegt werden.Muskelbiopsien zeigten in 13 von 35 Fällen leichte entzündliche Veränderungen in Form von perivaskulären oder interstitiellen Infiltraten. Ein daraufhin durchgeführter Therapieversuch mit Kortisonpräparaten zeigte jedoch keine positiven Effekte.

Routineblutuntersuchungen wie Blutsenkung, Blutbild, Immunglobulindifferenzierung sind typischerweise normal. Autoantikörper kommen in gleicher Häufigkeit wie in der Normalbevölkerung vor. Die Frage, ob es sich bei den oben genannten Auffälligkeiten um Epiphänome oder pathogenetisch bedeutsame Veränderungen bei einer Minderheit der Patienten handelt, bleibt derzeit ungelöst. Therapeutische Ansätze ergeben sich jedoch nicht.

Natürliche Alterung
Von einigen Autoren wurde diskutiert, die progredienten Paresen seien durch im Prinzip physiologische Alterungsvorgänge erklärbar, die bei einer durchgemachten Poliomyelitis mit weniger verbliebenen Motoneuronen deutlicher zutage träten. Sektionsstudien ergaben jedoch, das normalerweise die Zahl der Motoneuronen erst nach dem 60. Lebensjahr in nennenswerter Zahl abnimmt, so dass Alterungsvorgänge bei älteren Patienten möglicherweise eine Rolle spielen, die Beschwerden der typischerweise 40- bis 50jährigen Patienten allerdings nicht erklären können.

Überlastung von Motoneuronen
Im Rahmen der akuten Poliomyelitis kommt es zu einer disseminierten Schädigung von Motoneuronen. Untersuchungen haben ergeben, dass ca. 50 % der Motoneurone ausfallen müssen, bis sich klinisch Paresen nachweisen lassen. Im Anschluss an die akute Lähmungsphase setzt eine oft dramatische Restitution (Wiederherstellung) ein, die teils auf die Wiederaufnahme der Funktion partiell geschädigter Motoneurone, überwiegend auf Reinnervation denervierter Muskelfasern durch kollaterale Sprossung zurückzuführen ist. In der Konsequenz sind die motorischen Einheiten nach einer durchgemachten Polio bis zum 5fachen des Normalen vergrößert, bei teils vorgeschädigten Motoneuronen.

In Biopsien sowohl aus klinisch stabilen als auch aus Muskeln mit zunehmender Schwäche fanden sich Hinweise auf fortlaufende Denervierung.

Entsprechend lassen sich im konventionellen bzw. im Einzelfaser-EMG Zeichen akuter Denervierung bzw. Reinnervation sowohl in progredient paretischen als auch in klinisch stabilen Muskeln nachweisen.

Zusammenfassend ergibt sich somit der Nachweis erheblich vergrößerter motorischer Einheiten mit fortlaufender Denervierung und Reinnervation. Die hiermit verbundene erhebliche metabolische Belastung der häufig vorgeschädigten Motoneurone führt zur Dekompensation, so dass nicht mehr alle Muskelfasern reinnerviert werden können. Auch wenn der letztliche Beweis dieser Hypothese aussteht, wird sie von den meisten Autoren derzeit favorisiert.

Verlauf
Zum Krankheitsverlauf existieren widersprüchliche Angaben. Während Dalakas in seiner grundlegenden Arbeit basierend auf manueller Muskeltestung eine durchschnittliche Kraftabnahme von ca. 1 % pro Jahr angibt, erschienen kürzlich mehrere prospektive Langzeituntersuchungen, in denen sich jeweils keine sichere Progression nachweisen ließ.

Weder in quantitativen noch in elektrophysiologischen Verlaufskontrollen ließ sich eine sichere Progression zeigen. Allerdings räumen die Autoren ein, dass langsam zunehmende Paresen nur weniger Muskeln durchaus durch die Mittelwertbildung übersehen werden könnte. Eine andere Arbeitsgruppe konnte jedoch eine signifikante Abnahme der Anzahl motorischer Einheiten und der Reizantwortamplitude über einen Zeitraum von zwei Jahren nachweisen. Auch in der Selbsteinschätzung der Patienten zeigt sich eine Progredienz der Symptome. Jedenfalls sind rasch progrediente Paresen und Atrophien untypisch für ein PPS und sollten zur Suche nach anderen Ursachen veranlassen.

Therapie
Ausgehend von den o. g. pathophysiologischen Überlegungen muss man betroffenen Patienten empfehlen, eine weitere Überbeanspruchung der paretischen Muskulatur zu vermeiden. Die jeweiligen Ansatzpunkte können nur gemeinsam mit dem Patienten ausgehend von Beschwerdebild und Verteilung der Paresen erarbeitet werden. Im Einzelfall kann dies die zeitweise Benutzung eines Rollstuhles oder orthopädischer Hilfsmittel bedeuten, aber auch die Aufgabe oder Umstellung körperlich belastender beruflicher Tätigkeiten oder Freizeitaktivitäten. Es sollten regelmäßige Pausen geplant und Erschöpfung vermieden werden.

Physikalische Therapie
Eine Überbeanspruchung der Muskulatur muss vermieden werden. Gleichwohl stellt schonende, der jeweiligen Leistungsfähigkeit angepasste Krankengymnastik eine wichtige Säule im therapeutischen Gesamtkonzept dar. In einer Reihe von Studien konnte gezeigt werden, dass es möglich ist, durch langsam aufbauende, nicht ermüdende Übungen die Kraft einzelner Muskelgruppen und auch die kardiorespiratorische (Herz, Kreislauf, Atmung) Leistungsfähigkeit ohne unmittelbare negative Effekte zu steigern, Allerdings fehlen bisher Langzeituntersuchungen, die über eventuelle Spätwirkungen Aufschluss geben könnten.

Die besten Erfolge sind im Training von nur mäßig betroffenen Muskelgruppen zu erwarten (Kraftgrad 4/5 nach der MRC-Skalierung, d. h. es ist eine mäßige bis deutliche Schwäche vorhanden, es kann jedoch noch der volle Bewegungsumfang gegen mindestens leichten Widerstand durchgeführt werden). Wichtig ist, dass sowohl Therapeuten als auch Betroffene Abschied nehmen von der Devise „No pain, no gain“ (d. h.: ohne Schmerz kein Kraftgewinn).

Medikamente
Nur wenige kontrollierte Studien zur medikamentösen Therapie des PPS wurden bisher durchgeführt. Dabei konnte bisher noch für kein Medikament ein signifikant positiver Effekt nachgewiesen werden. Folgende Medikamente haben sich im klinischen Alltag bewährt.
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L-Carnitin
L-Carnitin, das physiologisch für den Transport der Fettsäuren über die mitochondriale Membran benötigt wird, verbessert nach klinischer Erfahrung in einer Dosierung von 2 x 1 g/die bei vielen Patienten die Leistungsfähigkeit der Muskulatur. Insbesondere eine Steigerung der muskulären aber auch allgemeinen Ausdauer sowie Linderung von dumpfen Muskelschmerzen werden übereinstimmend von vielen Patienten berichtet. Nicht alle Patienten sprechen auf diese Medikation an, und bei einem Teil scheint die Wirksamkeit im Lauf der Zeit nachzulassen. Hier kann sich nach einer Auslassphase erneut eine positive Wirkung einstellen. Allerdings konnte eine noch nicht publizierte Doppelblindstudie mit über 100 eingeschlossenen PPS-Patienten keinen signifikanten Effekt von L-Carnitin nachweisen. Zwar ein signifikanter Anstieg verschiedener Funktionsparameter in der Therapiegruppe nachweisbar, jedoch zeigte auch die Placebogruppe erhebliche Verbesserungen, so dass insgesamt kein statistisch signifikanter Unterschied nachweisbar war.

Creatin
Creatin ist eine körpereigene Substanz, die eine Schlüsselfunktion im Energiestoffwechsel der Zellen aufweist. Inzwischen mehren sich die Berichte über eine positive Wirkung oraler Creatingaben bei Patienten mit verschiedenen neuromuskulären Erkrankungen. Kontrollierte Studien liegen allerdings bisher bei keiner Indikation vor. Auch bei PPS kann möglicherweise ein Versuch lohnend sein, umfangreiche Erfahrung liegen allerdings noch nicht vor, ebensowenig verlässliche Dosisempfehlungen. Sinnvoll erscheint eine Dosierung von z. B. 3 x 2 g, wobei auf eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr zu achten ist und Patienten mit vorgeschädigtem Nierensystem zunächst Rücksprache mit Ihrem Arzt halten sollten.

Cholinesterasehemmer (Pyridostigmin)
Durchaus naheliegend ist es, die abnorme Ermüdbarkeit der Muskulatur bei elektrophysiologischen Hinweisen auf eine Instabilität der Endplattenregion bei PPS-Patienten mit Acetylcholinesterasehemmern zu therapieren. In einer offenen Therapiestudie mit Pyridostigmin 3 x 60 mg/ die gaben 16 von 27 Patienten eine subjektive Verbesserungen der Müdigkeit an. Eine bisher noch nicht publizierte Doppelblindstudie konnte jedoch keine positiven Effekte belegen. Allerdings ist dieser Therapieansatz durchaus mit Zurückhaltung zu sehen. Eine andauernde überstimulation der ohnehin instabilen Endplattenregion kann zumindest theoretisch die Dekompensation beschleunigen und so auf lange Sicht schädlich wirken. Aufgrund dieser Unsicherheiten setzen wir Pyridostigmin nicht routinemäßig in der Therapie von PPS-Patienten ein.

Antidepressiva
In Dosierungen von 50 – 100 mg/die können mit Amityptilin chronische Schmersyndrome gut beeinflusst werden. Zudem kann eine gewisse Antriebssteigerung erreicht werden. Schwierigkeiten kann die initial auftretende Müdigkeit bereiten. Eingehende Aufklärung über den temporären Charakter dieser Nebenwirkung und erst später einsetzende Therapieeffekte sind in der Aufklärung für den Patienten unabdingbar. Amitryptilin ist das Medikament, mit dem die längsten Erfahrungen in der unterstützenden (adjuvanten) Schmerztherapie vorliegen. Neuere Antidepressiva vom Typ der sog. Serotonin-Wiederaufnahmehemmer können u. U. besonders bei Patienten mit exessiver Müdigkeit bei einem günstigeren Nebenwirkungsprofil mindestens ebenso wirksam sein.

Dopaminergika (Amantadin und Selegelin)
Einzelfallberichte beschreiben gute Erfolge in der Therapie von Müdigkeit mit beiden Substanzen. In unserer Erfahrung sprechen zumindest einige Patienten mit exessiver Müdigkeit gut auf eine der Substanzen an.

Psychosoziale Unterstützung
Häufig erfordern die Beschwerden gezielte Einschränkungen der Aktivitäten zusätzlich zu den oftmals therapeutisch nur unvollständig zu beeinflussenden Schmerzen. Somit fällt der Unterstützung und Motivation des Patienten eine nicht zu unterschhützende Rolle im therapeutischen Gesamtkonzept zu.